Ein Gerichtsurteil zeigt, ob ein Unfallverursacher eine geringere Schuld trägt, wenn er beim Zusammenstoß an einer T-Kreuzung davon ausgegangen sei, es handelte sich um eine herkömmliche Kreuzung, und er deshalb fälschlicherweise die Vorfahrtsregel „rechts vor links“ anwendete.
(verpd) Biegt ein Fahrzeugführer im Bereich einer T-Kreuzung von einem Parkplatz aus ab, so hat er die Vorfahrt des fließenden Verkehrs zu beachten. Er kann sich in so einem Fall nicht darauf berufen, dass der Unfallbereich den Eindruck einer herkömmlichen Kreuzung macht, bei der die Vorfahrtsregelung „rechts vor links“ gilt. Dies entschied das Landgericht Lübeck in einem Urteil (14 S 7/23).
Ein Mann wollte mit seinem Pkw an einer sogenannten T-Kreuzung nach links abbiegen. Hier herrscht die Vorfahrtsregelung „rechts vor links“.
Aus der Sicht des Mannes befand sich leicht schräg links versetzt auf der rechten Seite die Ausfahrt eines öffentlichen Parkplatzes. Aus dieser kam unmittelbar nach dem Abbiegevorgang eine Frau mit ihrem Pkw, um auf die von dem ihm befahrene Straße abzubiegen. Dabei kollidierten beide Fahrzeuge.
Keine alleinige Verantwortung der Autofahrerin?
Der Autofahrer war der Ansicht, die Unfallgegnerin habe gegen die strengen Regeln von § 10 StVO (Straßenverkehrsordnung) verstoßen, indem sie ihm von einem Parkplatz kommend die Vorfahrt genommen habe. Daher forderte er von der Frau beziehungsweise ihrem Kfz-Haftpflichtversicherer per Gerichtsklage, dass ihm der durch den Unfall entstandene Schaden ersetzt wird.
Dem hielt die Beklagte entgegen, dass der Unfallbereich den Anschein einer Kreuzung mit vier Fahrtrichtungen erweckt habe. Das hätte auch dem Autofahrer auffallen müssen. Sie sei für den Unfall daher keineswegs allein verantwortlich.
Haftung aus Betriebsgefahr des Fahrzeugs
Dieser Argumentation schloss sich das in erster Instanz mit dem Fall befasste Lübecker Amtsgericht an. Es ging von einem gegenseitigen Verschulden der Unfallbeteiligten unter Zugrundelegung einer Haftungsquote von je 50 Prozent aus.
Dem widersprach das Lübecker Landgericht in der Berufungsverhandlung. Nach seiner Überzeugung haftet der Kläger lediglich aus der mit 25 Prozent zu bemessenden Betriebsgefahr seines Fahrzeugs.
Vorfahrt missachtet
Das Gericht stellte nicht in Abrede, dass der Unfallort bedingt an eine Kreuzung mit vier Fahrtrichtungen erinnert. Gleichwohl sei es unbestritten, dass die Beklagte mit ihrem Fahrzeug einen öffentlichen Parkplatz verlassen wollte.
Sie hätte daher den strengen Anforderungen der Straßenverkehrsordnung genügen und dem Kläger Vorfahrt gewähren müssen. Aus diesem Grund hafte sie ganz überwiegend für die dem Kläger entstandenen Schäden. Das Urteil ist mittlerweile rechtskräftig.