Ob das Finanzamt einen bestandskräftigen Steuerbescheid ändern kann, wenn ein Steuerprüfer feststellt, dass die Aufzeichnungen des Steuerpflichtigen formell mangelhaft waren, verdeutlicht eine Entscheidung des Bundesfinanzhofes.
(verpd) Änderungen bestandskräftiger Steuerbescheide sind nicht nur möglich, wenn sich im Nachhinein herausstellt, dass ein Steuerpflichtiger nicht alle Betriebseinnahmen aufgezeichnet hat, sondern auch dann, wenn sich die Aufzeichnungen als formell mangelhaft erweisen. Das hat der Bundesfinanzhof mit einem in diesem Jahr getroffenen Urteil entschieden (III R 14/22).
Ein Selbstständiger hatte seine Gewinne in Form einer Einnahmenüberschussrechnung ermittelt. Das wurde vom Finanzamt akzeptiert. Mit den Bescheiden für das Steuerjahr 2013 und 2014 hatte das Finanzamt ihn zunächst ohne Vorbehalt der Nachprüfung zur Einkommensteuer veranlagt.
Bei einer Prüfung stellte ein Steuerprüfer jedoch fest, dass die Aufzeichnungen des Steuerpflichtigen formell mangelhaft waren. Das führte zu einer Hinzuschätzung mit der Folge, dass das Finanzamt die bestandskräftigen Steuerbescheide des Selbstständigen änderte und Steuern nachforderte.
Die Folgen, wenn ein freiwillig geführtes Kassenbuch …
Laut Bundesfinanzhof kam der Steuerprüfer zu dem Ergebnis, dass der Unternehmer seinen Aufzeichnungspflichten nach § 22 UStG (Umsatzsteuergesetz) nicht hinreichend nachgekommen sei, weil er nicht sämtliche Geschäftsvorfälle nach der zeitlichen Reihenfolge und mit ihrem richtigen Inhalt festgehalten habe. „Es sei nicht erkennbar, ob er Umsätze zu verschiedenen Steuersätzen zutreffend getrennt und auf die Umsätze den zutreffenden Steuersatz angewendet habe.“
Ein grundsätzlich nicht zur Führung eines Kassenbuchs verpflichteter Steuerpflichtiger, der ein solches jedoch freiwillig führe, müsse laut Finanzamt den gesetzlichen Anforderungen an ein Kassenbuch erfüllen. „Dem genüge das für die Steuerjahre 2013 und 2014 in Form einer nicht gegen nachträgliche Änderungen geschützten Excel-Tabelle erstellte Kassenbuch nicht. Auch könne eine Kassensturzfähigkeit im Nachhinein nicht festgestellt werden.“
Zudem waren einige Geschäftsvorfälle, die den handschriftlichen Korrekturen auf den Z-Bons (Kassenabschlussbelege) zugrunde liegen, mangels Eigenbelegen nicht nachvollziehbar. Zwar ergab eine Geldverkehrsrechnung keine ungeklärten Einnahmefehlbeträge. Der Prüfer vertrat jedoch die Auffassung, dass wegen erheblicher Kassenführungsmängel eine Hinzuschätzung durch Sicherheitszuschlag in Höhe von zehn Prozent der Barerlöse zu erfolgen habe.
… formell mangelhaft ist
Damit war der Steuerpflichtige nicht einverstanden. In seiner gegen das Finanzamt eingereichten Klage berief er sich auf die Bestandskraft der Bescheide sowie darauf, dass sich das Amt ausdrücklich keine Nachprüfung vorbehalten habe. Ohne Erfolg: Der Bundesfinanzhof hielt die Klage für unbegründet. Er wies den Fall an das in erster Instanz mit dem Fall befasste Niedersächsische Finanzgericht zur Klärung noch offener Fragen sowie einer abschließenden Entscheidung zurück.
Zwar sehe § 4 Absatz 3 EStG (Einkommensteuergesetz) keine Verpflichtung zu förmlichen Aufzeichnungen von Betriebseinnahmen und Ausgaben vor. Dennoch dürfen nach Ansicht des Bundesfinanzhofs auch bestandskräftige Steuerbescheide geändert werden, wenn sich im Nachhinein herausstellt, dass ein Steuerpflichtiger nicht alle Betriebseinnahmen aufgezeichnet hat.
Dies gelte auch für den Fall, dass sich herausstellt, dass die Aufzeichnungen als formell mangelhaft anzusehen sind. Das ergebe sich aus § 173 Absatz 1 Nummer 1 AO (Abgabenordnung).