Fast 12.500 Verdachtsfällen von vermuteten ärztlichen Kunstfehlern ist der Medizinische Dienst Bund letztes Jahr nachgegangen. Wie oft sich der Verdacht bestätigte, welches die häufigsten Ursachen waren und in welchen Bereichen die meisten Pannen passierten.
(verpd) Der Medizinische Dienst Bund hat jetzt seine Bilanz gutachterlich aufgedeckter Behandlungspannen für das Jahr 2023 in Deutschland vorgestellt. Insgesamt wurde fast 12.500 Vorwürfen nachgegangen. In gut jedem vierten Fall hat sich dieser Verdacht bestätigt. Die Ergebnisse sind den Angaben zufolge aber nicht repräsentativ, da diese Fehler hierzulande nicht systematisch statistisch erfasst werden.
Bei dem Verdacht auf einen Behandlungsfehler muss üblicherweise der Patient dem Arzt, der Klinik oder dem sonstigen Behandelnden ein Verschulden nachweisen. Die Krankenkassen als Träger der gesetzlichen Krankenversicherung sind verpflichtet, ihre Versicherten bei der Durchsetzung von Ansprüchen aus Behandlungsfehlern zu unterstützen.
Dazu prüfen spezielle Gutachterteams des Medizinischen Dienstes (MD) im Auftrag der Krankenkassen, ob die Vorwürfe von Behandlungsfehlern gerechtfertigt sind. Der Medizinische Dienst Bund (MD Bund), eine Expertenorganisation in der Trägerschaft der 15 Medizinischen Dienste in den Ländern, hat kürzlich seine Jahresstatistik 2023 zur Behandlungsfehler-Begutachtung der Gemeinschaft der Medizinischen Dienste vorgelegt.
Demnach hat der MD im Auftrag der Krankenkassen im Berichtsjahr 12.438 Verdachtsfälle durch Sachverständige begutachten lassen. Das waren 4,8 Prozent weniger als im Jahr zuvor.
Bei 3.160 Patienten hatte der Pfusch Folgen
Dabei haben sich fast drei Viertel der Vorwürfe nicht bestätigt. In 71 Prozent der Fälle wurden keine Fehler festgestellt. Daneben wurden auch Pannen gefunden, die zu keinen Schäden geführt haben (435 Fälle; 3,5 Prozent Anteil). Bei 3.160 Patienten (25,4 Prozent) hatte der Pfusch Folgen.
Die Kunstfehler-Vorwürfe verteilen sich weiterhin zu etwa einem Drittel auf die ambulante und zu zwei Dritteln auf die stationäre Versorgung. Eine ähnliche Aufteilung war auch in den Vorjahren zu beobachten.
Vor allem im Bereich „Orthopädie und Unfallchirurgie“
Das am häufigsten betroffene Fachgebiet war „Orthopädie und Unfallchirurgie“ (knapp ein Drittel Anteil beziehungsweise 3.665 Fälle). Gut jeder neunte Verdachtsfall (1.426 Fälle) betraf das Segment „Innere Medizin und Allgemeinmedizin“.
Jeweils rund jeder elfte Kunstfehler-Vorwurf entfiel auf die Bereiche „Zahnmedizin (inklusive Oralchirurgie und Kieferorthopädie)“ (1.156 Fälle), „Frauenheilkunde und Geburtshilfe“ (1.119 Fälle) sowie Allgemeinchirurgie und Viszeralchirurgie (1.118 Fälle). Jeder 17. Fall betraf die Pflege (726 Fälle). Die restlichen Fälle verteilten sich auf die sonstigen 29 weiteren medizinischen Fachgebiete.
Falsche medizinische Maßnahmen durchgeführt
Die häufigsten Fehlerarten (in jeweils rund vier von zehn Fällen) waren, dass eine indizierte Maßnahme entweder falsch beziehungsweise trotz Möglichkeit, Zumutbarkeit und Verfügbarkeit erst gar nicht durchgeführt wurde.
Bei jeweils rund jedem zwölften Missgriff wurde eine erforderliche Maßnahme zwar korrekt, aber zeitlich zu spät durchgeführt oder es wurde eine falsche medizinische Maßnahme oder Operation durchgeführt.
Auch Dauerschaden und Todesfälle
Aus dem Statistikmaterial geht ferner hervor, dass in etwa jeder 36. bestätigte Behandlungsfehler, der kausal für den Schaden war, tödliche Folgen hatte. Insgesamt starben 75 Personen wegen eines Behandlungsfehlers. Zudem mussten in jedem 50. Fall, konkret bei 53 Personen, lebensrettende Maßnahmen ergriffen werden.
Knapp jeder 15. Missgriff (180 Fälle) führte zu einem schweren Dauerschaden, jeweils gut jeder neunte zu einem mittleren oder leichten Dauerschaden (je 309 Fälle). Die verbleibenden knapp zwei Drittel der Pannen und damit 1.753 Betroffene hatten vorübergehende Folgen.
Nicht repräsentativ
Die Studienautoren heben hervor, dass die vorgelegten Zahlen den umfangreichsten Datensatz zu Kunstfehlern darstellten, „der in Deutschland aus einem aktuellen Einjahreszeitraum veröffentlicht wird.
Die Ergebnisse aus der Behandlungsfehler-Begutachtung der Gemeinschaft der Medizinischen Dienste können dennoch weder für die in Deutschland insgesamt erhobenen Behandlungsfehlervorwürfe noch für alle tatsächlich auftretenden Fehler beziehungsweise ‚vermeidbaren unerwünschten Ereignisse‘ in der Medizin repräsentativ sein. Jegliche Interpretationen sind vor dieser Einschränkung zu sehen und mit entsprechender Vorsicht vorzunehmen.“
Informationen über die Patientenrechte
Detaillierte Ausführungen zu den Patientenrechten und was im Falle eines vermuteten Behandlungsfehlers zu tun ist, bietet das Webportal Gesund.bund.de sowie die 72-seitige kostenlos downloadbare Broschüre „Ratgeber für Patientenrechte“ des Bundesministeriums für Gesundheit.
Informationen zu den Rechten, die gesetzlich krankenversicherte Patienten bei Verdacht auf einen Behandlungsfehler haben, enthalten die kostenlos downloadbaren Flyer des MD Bund „Was Sie als Patient wissen sollten“ sowie „Fragen und Antworten zur Begutachtung von Behandlungsfehlern“.
Privat Krankenversicherte sollten sich im Falle einer vermuteten Fehlbehandlung unter anderem an ihre private Krankenversicherung wenden, um mögliche Unterstützungsmöglichkeiten zu klären, wie der Verband der Privaten Krankenversicherung e.V. betont.